100 Jahre Friedensvertrag von Riga:

Die belarusische Frage und die europäische Nachkriegsordnung

Am 18. März 1921 unterzeichneten die Polnische Republik auf der einen Seite und die Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik (RSFSR) und die Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik (USSR) auf der anderen Seite in Riga einen Friedensvertrag. Dieser war ein Meilenstein in der europäischen Nachkriegsordnung, wurde aber in Deutschland in seiner Bedeutung unterschätzt. Die Signatarstaaten erkannten darin unter anderem die Unabhängigkeit von „Belarus“ an, die ironischerweise nicht einmal Vertreter*innen an den Verhandlungstisch entsenden durfte. Gleichzeitig wurden die mehrheitlich von Belarus*innen bewohnten Gebiete zwischen Polen und der späteren Sowjetunion in der Mitte geteilt.

Warum wurde hier das „Recht auf Selbstbestimmung“ von Völkern und Nationen, das während und im Anschluss an den Ersten Weltkrieg in aller Munde war, völlig ignoriert – ja, nicht einmal als Argument angeführt? Hatten etwa weder Polen noch der Sowjetstaat an diesen nichtindustrialisierten Gebieten Interesse? Warum wurde die Grenze dort gezogen, wo sie gezogen wurde – in der Nähe der Waffenstillstandslinie von 1920? Wollte man sich aus militärgeographischen Gründen nicht überdehnen? Wollte man einen Pufferstaat vermeiden? Wollte man die belarusische agrarsoziale Nationalbewegung schwächen? Gab es östlich der Grenze zu wenig „polnischen“ Großgrundbesitz?

Und schließlich: sollten wir von einer „Versailles-Rigaer Nachkriegsordnung“ in Europa sprechen? Die über 1400 km lange polnisch-sowjetische Grenzlinie wurde zwar nicht zwischen Siegern und Besiegten gezogen, blieb aber für 18 lange Jahre eine „ideologische“ Grenze.

Diskutant*innen
Vol'ha BAROŬSKAJA
Institut für Geschichte der Akademie der Wissenschaften (Belarus)

Frank GOLCZEWSKI
Universität Hamburg, Historisches Seminar

Anatol' VJALIKI
Belarusische Staatliche Pädagogische Maxim-Tank-Universität

Kommentar:
Ales' SMALJANČUK
Universität Warschau


Begrüßung:

Thomas BOHN
Universität Gießen, Historisches Institut

Moderation und Einleitung:

Diana SIEBERT
Universität Gießen, Historisches Institut

Veranstaltungsprogramm

100 Jahre Friedensvertrag von Riga (PDF, 168 kB)

100 гадоў Рыжскай мірнай дамове (PDF, 168 kB)

Datum:
12.03.2021, 11:00 Uhr bis 12:30 Uhr

Hinweis:
Die Veranstaltung findet online statt.

Sprache(n):
Deutsch und Belarusisch, simultan gedolmetscht

Programm:

100 Jahre Friedensvertrag von Riga (PDF, 168 kB)

100 гадоў Рыжскай мірнай дамове (PDF, 168 kB)

Veranstalterin:
Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde