Der Holocaust in den Erinnerungskulturen und historischen Narrativen in Europa

Mit Peter Hallamas Studie über „Nationale Helden und jüdische Opfer – Tschechische Repräsentionen des Holocausts" erscheint Anfang Mai der erste Band in der Reihe „Schnittstellen. Studien zum östlichen und südöstlichen Europa". Am 5. Mai 2015 stellt die Graduiertenschule für Ost- und Südosteuropastudien ihre Publikationsreihe vor. Den Festvortrag hält Dr. Andrea LÖW (Zentrum für Holocaust-Studien am Institut für Zeitgeschichte, München) zum Thema „Der Holocaust in den Erinnerungskulturen und historischen Narrativen in Europa“. Zum Buch: Wurde der Holocaust in der Tschechoslowakei tatsächlich mit einem offiziellen „Tabu" belegt und die jüngste Geschichte von den kommunistischen Machthabern „konfisziert"? Viele Beobachter*innen erklären so die nur zögerlich einsetzende und mangelnde selbstkritische Auseinandersetzung mit der Verfolgung und Ermordung der Juden und Jüdinnen in der tschechischen Gesellschaft: Die Geschichtspolitik des kommunistischen Staates trüge demnach zusammen mit dem Schweigen der jüdischen Opfer Schuld an diesem „Tabu". Die vorliegende Studie stellt beide Vorstellungen in Frage und geht stattdessen von den jüdischen Repräsentationen des Holocaust aus. Sie untersucht so die sich wandelnden Möglichkeiten, Formen und Grenzen einer Erinnerung an die Shoah in einem kommunistischen Staat von 1945 bis in die 1990er Jahre. Die Analyse der mannigfaltigen jüdischen Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg widerlegt die oft vertretene Formel vom „Tabu des Holocaust in der Tschechoslowakei" und trägt damit zu einem differenzierteren Blick auf die tschechoslowakische Erinnerungskultur bei. Dieser wirft notwendigerweise Fragen an die Mehrheitsgesellschaft in der Tschechoslowakei auf: Sind nicht – mehr als die staatliche Politik oder die kommunistische Ideologie – gesellschaftliche Einstellungen und Wahrnehmungen der Grund für die Marginalisierung des Holocaust und seine Ausklammerung aus der tschechischen Nationalgeschichte? Welche Konsequenzen haben der tschechische Nationalismus, antisemitische Stereotype und das anachronistische Festhalten an einem heroischen Geschichtsverständnis für die Erinnerung an die jüdischen Opfer des Zweiten Weltkrieges? Die Reihe „Schnittstellen. Studien zum östlichen und südöstlichen Europa" versammelt aktuelle Forschungen zur Geschichte, Literatur, Kultur und Politik des östlichen und südöstlichen Europa. Die Arbeiten gehen überwiegend aus der Graduiertenschule für Ost- und Südosteuropastudien der Ludwig-Maximilians-Universität München und der Universität Regensburg hervor, in der transnationale Verflechtungsprozesse innerhalb der Region und zwischen Ost- und Südosteuropa und anderen Weltregionen untersucht werden.

http://www.v-r.de/de/schnittstellen_studien_zum_oestlichen_und_suedoestlichen_europa/sd-248/789

Datum:
05.05.2015, 18:00 Uhr

Ort:
Graduiertenschule für Ost- und Südosteuropastudien
Maria-Theresia-Straße 21
81675 München

Sprache(n):
Deutsch

Veranstalterin:
DGO-Zweigstelle München