Gemeinsames Statement von GSCO und DGO zur Zukunft der Professur für Religionswissenschaft (Orthodoxes Christentum) in Erfurt​

An der Universität Erfurt gibt es Pläne, Professur für Religionswissenschaft (Orthodoxes Christentum) nach der Pensionierung des derzeitigen Stelleninhabers nicht wieder zu besetzen oder sogar gänzlich zu streichen. In einem gemeinsamen Statement haben sich die Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde (DGO) und die Gesellschaft zum Studium des Christlichen Ostens (GSCO) daher an den Präsidenten der Universität Erfurt gewandt und darum gebeten, diese Pläne zu überdenken.

Das Statement im Wortlaut:

Stellungnahme der Gesellschaft zum Studium des Christlichen Ostens (GSCO) und der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde (DGO) zur Zukunft der Professur für Religionswissenschaft (Orthodoxes Christentum) an der Philosophischen Fakultät der Universität Erfurt

Sehr geehrter Herr Präsident,

wir haben davon Kenntnis erhalten, dass an Ihrer Universität erwogen wird, die an der Philosophischen Fakultät angesiedelte Professur für Religionswissenschaft (Orthodoxes Christentum) nach der Pensionierung des derzeiti- gen Stelleninhabers nicht wieder zu besetzen oder sogar gänzlich zu streichen. Als Verbände, denen die Osteuro-pakunde als Fach an deutschen Universitäten ein vorrangiges Anliegen ist, sind wir durch diese Nachricht alarmiert. Wir bitten Sie deshalb nachdrücklich darum, Pläne in dieser Richtung zu überdenken und ggf. auch zu revidieren.

Die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in Osteuropa, hier insbesondere der seit dem 24.02.2022 laufende vollumfängliche Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, haben die Relevanz der Osteuropakunde erneut mit aller Dringlichkeit vor Augen geführt. Die Tatsache, dass die russische Führung als Begründung für diesen Angriff auch die Einheit der Orthodoxie ins Feld führt, zeigt insbesondere, wie wichtig auch vertiefte Kenntnisse über Kirchen- und Religionsfragen in diesem Krieg sind. Es gibt in der deutschen Öffentlichkeit ein erhebliches Informationsdefizit bezüglich Osteuropas, dem sachkundig nur auf der Grundlage solider Forschung begegnet werden kann. Dafür bedarf es Professuren an deutschen Universitäten, die dieser Aufgabe gewidmet sind und über die Geschichte und Kultur Osteuropas informiert Auskunft geben können. Die Professur für Orthodoxes Christen- tum an Ihrer Universität hat sich in dieser Hinsicht im Verlauf der letzten Jahrzehnte einen exzellenten Ruf erworben. Da hier ein breiter Ansatz in Forschung und Lehre vertreten wird, deckt die Professur nicht nur das orthodoxe Christentum in seinen vielfältigen Facetten (Geschichte, Dogmatik, Liturgie etc.) ab, vielmehr wird es hier auch als Mehrheits- wie auch als starke Minderheitsreligion in seiner kulturprägenden Bedeutung für viele Staaten Osteuropas in den Bick genommen.

Einzigartig wird die Professur für Orthodoxes Christentum an Ihrer Universität dadurch, dass hier die Erforschung im Kontext der Religionswissenschaft an einer Philosophischen Fakultät geschieht. Auf diese Weise wird eine sozial- und kulturwissenschaftliche Außenperspektive möglich, die es erlaubt, auch kritische Themen wie das Verhältnis des orthodoxen Christentums zur Moderne ohne vorgängige apologetische Interessen zu untersuchen. In Erfurt ist es in den vergangenen Jahren gelungen, einen solchen dezidiert religionswissenschaftlichen Blick auf die orthodoxe Welt als einen eigenen Forschungsfokus zu etablieren. Der Professur hat das auch international eine hohe Anerkennung verschafft.

In Zeiten, in denen der innereuropäischen Verständigung eine hohe Priorität zukommt, ist es nicht nachvollziehbar, dass eine Professur von der Kürzung bedroht sein soll, die für diesen Verständigungsprozess elementare Voraussetzungen bietet. Das gilt auch für die innerdeutsche Situation, die aufgrund der starken Migrationsbewegungen zunehmend von Gläubigen aus dem Spektrum des orthodoxen Christentums geprägt ist. Um den aktuellen Erfordernissen in Politik und Gesellschaft Rechnung tragen zu können, dürfen Forschung und Lehre auf dem Gebiet des orthodoxen Christentums nicht ab-, sie sollten im Gegenteil weiter ausgebaut werden.

Wir appellieren deshalb an Sie, die Bedeutung der in der deutschen akademischen Landschaft einmaligen Professur für Orthodoxes Christentum an Ihrer Universität anzuerkennen und sich dafür einzusetzen, dass diese Professur in der bisherigen Form oder ggf. mit einem anderen relevanten Profil, das auch das östliche Europa einschließt, erhalten bleibt.

Für die GSCO
Prof. Dr. Thomas Kremer
Lehrstuhl für Theologie des Christlichen Ostens an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt

Für die DGO
Ruprecht Polenz
Präsident

https://dgo-online.org/neuigkeiten/aktuelles/statement-gsco-und-dgo-professur-orthodoxes-christentum-erfurt/