Geschichtspolitik in Litauen im europäischen Kontext

Geschichtspolitik ist Zukunftspolitik. In den Debatten über Helden, Opfer und Täter, über Mahnmale, Gedenkstätten und Staatsfeiertage werden grundlegende nationale Werte sowie innen- und außenpolitische Richtungsentscheidungen verhandelt. Die enge politische, ökonomische und gesellschaftliche Integration in Europa führt unausweichlich zu einem Ringen um nationale und europäische Geschichtsbilder. Dies kann in Litauen, wo wie überall in Osteuropa das „Jahrhundert der Extreme" mit zwei Weltkriegen, Besatzung, Diktaturen, der Ermordung der Juden, Deportationen Grenzkriegen und nationalen Konflikten tiefe Wunden in der Erinnerung hinterließ, nicht ohne Konflikte abgehen. Wenig umstritten ist die Epoche des oft mythisch verklärten mittelalterlichen Großfürstentum Litauens. Intensive Debatten werden jedoch über das 20. Jahrhundert geführt. Zwar herrscht Konsens über den verbrecherischen Charakter des Hitler-Stalin-Pakts. Doch die Fokussierung auf die litauische Nation als Opfer zweier totalitärer Diktaturen kann eine partielle Amnesie zur Folge haben. Die Rolle litauischer Einheiten während der nationalsozialistischen Besatzung und besonders bei der Ermordung der litauischen Juden ist noch immer umstritten. Auch der Partisanenkrieg von 1944–1953 wird unterschiedlich bewertet. Die Erinnerungen der Juden, Polen und Russen in Litauen – und die offiziellen Geschichtsbilder Israels, Polen und Russlands – unterscheiden sich oft erheblich von dem in Litauen gepflegten Gedächtnis. Dieses Spannungsverhältnis wird auch in die Europäische Union hineingetragen und spielt eine Rolle bei der Formulierung der EU-Politik in Bezug auf die Östliche Partnerschaft, den Nahost-Konflikt sowie die europäische Erinnerungskultur. Die Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde, die Deutsch-Litauische Gesellschaft, die Europäische Akademie Berlin und das Deutsch-Litauische Forum laden zu einer Diskussion über die Funktionen der historischen Rückbesinnung in Litauen und die Implikationen der Erinnerungskonkurrenz für die aktuelle litauische Innen- und Außenpolitik sowie für die Einstellung Litauens gegenüber der Europäischen Union. Die Veranstaltung wurde mit freundlicher Unterstützung des Auswärtigen Amtes durchgeführt.

Veranstaltungsprogramm

p-20111128.pdf (PDF, 202 kB)

Datum:
28.11.2011, 19:30 Uhr

Ort:
Europäische Akademie Berlin
Bismarckallee 46/48
14193 Berlin

Sprache(n):
Deutsch

Programm:

p-20111128.pdf (PDF, 202 kB)

Veranstalterin:
Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde